Zum Inhalt springen
Fundament   für Fortschritt
Foto: Stepniak

Fundament für Fortschritt

Lesedauer: ca. 3 Min. | Text: Stefan Prott

Ein stolzes Jubiläum: 125 Jahre werden die Hertener Stadtwerke. Und manche(r) dürfte ergänzen: Nie waren sie so wertvoll wie heute. Wie die Fundamente für Fortschritt gelegt wurden, darüber sprachen wir mit Artur Porr, der bis zur Jahrtausendwende die Geschicke der Stadtwerke lenkte, und seinem Nachfolger Thorsten Rattmann, seit 2014 Geschäftsführer der Stadtwerke.

Es ist schon beeindruckend: 89 Jahre ist Artur Porr. Und doch erinnert er sich mit einer Klarheit, die vielleicht erst der Blick aus der Ferne ermöglicht. An kuriose Begebenheiten (wie er als junger Ingenieur mit dem Fahrrad auf Fehlersuche ging, als in halb Herten der Strom ausgefallen war). An strategische Weichenstellungen (wie die Entscheidung für den Fernwärmeausbau), an die Machermentalität in der florierenden Bergbaustadt Herten (die trotz jeder Menge Kohle die Vorzüge des sauberen Erdgas erkannte).
Alles ist präsent und wird in präzisen Schilderungen lebendig, wenn Artur Porr erzählt. Ein toller Typ! Rückblende, Anfang der 1960er Jahre: Artur Porr kommt als Elektroingenieur zu den damaligen Stadtwerken Herten. Bald leitet er die kleine technische Abteilung („Wir waren zu dritt!“), wenig später wird er Werksleiter, später Geschäftsführer der 1991 gegründeten Hertener Stadtwerke GmbH, die er bis 2000 führt. Es waren Jahre voller Weichenstellungen.

Fernwärme fürs Berliner Viertel

Was heute als Schlüsseltechnologie zur Energiewende gehandelt wird, war in 1960er Jahren noch experimentell: Artur Porr: „Die Fernwärme ist geboren, weil die Zechen kleine Kraftwerke hatten. Als erstes wurde von der Zeche Schlägel & Eisen eine Leitung zum Paschenberg gelegt, wo damals das Berliner Viertel entstand, das war das erste mit Fernwärme in Herten.“ Technisch war das allerdings Neuland: Zur Isolierung der Leitungen nutzten die Stadtwerke ein Granulat nach amerikanischem Vorbild. „Aber dann sackten die Böden ab, die Isolierung rutschte weg, und die Rohre waren nach drei Jahren verrostet.“ Auch die Gebäudetechnik war noch nicht reif für Fernwärme: „In den Häusern fehlten Wärmetauscher, und so kam der Druck aus der Leitung direkt ins Haus, wo die Heizkörper dann wegplatzten“, erinnert sich Porr. „Das war im Berliner Viertel schon eine Katastrophe, aber wir haben schnell gelernt und die Kinderkrankheiten behoben.“ Eine Pionierarbeit, von der die Stadt bis heute profitiert: „Wir erben jetzt im Grunde genommen, dass wir ein gut ausgebautes Netz haben, dass ihr in den 60er Jahren begonnen habt. Darauf können wir jetzt bei der Wärmewende aufbauen“, so Thorsten Rattmann.


Hochspannung für Herten

Genauso spannend: der Ausbau des Stromnetzes: „Wir haben in den 1960ern das 10.000-Volt-Netz von der VEW gekauft. Die waren erst gar nicht einverstanden“, erinnert sich Porr – denn mit eigenem Mittelspannungsnetz konnten die Stadtwerke Haushalte und Gewerbekunden fortan deutlich günstiger versorgen. „Das war schon ein Stück Emanzipation, das ihr damals geschaffen habt“, nickt Rattmann anerkennend. Erst in den letzten Jahren ist es im Rahmen der Rekommunalisierung wieder zu Stadtwerke-Neugründungen im Kreis Recklinghausen gekommen.

Pionierarbeit im Vertrieb

Im Vertrieb wurde ebenso Pionierarbeit geleistet – vor allem mit Blick auf den Energieverbrauch. „Am Anfang haben wir Fernwärme nach dem Oberhausener Tarif abgerechnet“, erinnert sich Porr. Das heißt: Der Preis richtete sich nur nach den Quadratmetern der Wohnung. „Die Leuja schon Dreckschleudern. Wenn man die Wäsche in den 50er, 60er Jahren draußen hatte, da war die hinterher grau bis schwarz“, erinnert sich Artur Porr. Dann begann der Siegeszug des Erdgases: „Das ist damals als saubere Energie verkauft worden. Interessanterweise sagen wir heute: Wir müssen weg vom Erdgas, weil es keine saubere Energie ist. Tatsächlich ist die Verbrennung natürlich wesentlich sauberer gewesen als die von Kohle“, resümiert Rattmann.

Vom Supercomputer zur IT für eine Stadt

Noch eine Innovation: „In den 70er Jahren haben wir den ersten Computer gekauft – der war so groß wie ein Tisch. Damit waren wir anderen voraus und haben teilweise im
Kreis Aufgaben in der Datenverarbeitung übernommen“, erinnert sich Artur Porr. „Auch daraus ist etwas gewachsen: Wir übernehmen mittlerweile für den Konzern Herten die
gesamte IT – inklusive der Schulen, wo wir u.a. rund 6.000 Rechner von Schülerinnen und Schülern in Betrieb haben“, berichtet Thorsten Rattmann. „Das hat seinen Ursprung in
der Historie, denn es liegt ja nicht auf der Hand, dass ein kommunales Unternehmen das unbedingt machen muss.

Info Hertener Stadtwerke
Hertener Stadtwerke

Herner Straße 21
45699 Herten

hertener-stadtwerke.de

Artikel teilen:

Mehr aus Ihrem Vest: